Das faschistische Hausprojekt der “Identitären” in der Adam-Kuckhoff Straße 16 in Halle besteht seit mittlerweile über 2 Jahren. Die “Identitären” hatten sich die ostdeutsche Universitätsstadt Halle als vielversprechenden Standort zur Eroberung des öffentlichen und politischen Raumes ausgesucht.
In ausufernden Plänen malten sie sich bereits die Übernahme des nahen Campus aus, die Verdrängung Linker und ihrer Ideen aus der Universität sollte in der Saalestadt ihren Anfang nehmen. Das Haus sollte als eine Art Leuchtturm in die Republik strahlen und so den Boden für weitere Faschohäuser in anderen größeren Städten bereiten. Hohe Ziele also. Alles sollte seinen Anfang in Halle mit freundlicher Unterstützung durch das in Schnellroda ansässige „Institut für Staatspolitik“ und des selbsternannten Intellektuellen Götz Kubitschek nehmen.
Bisher hatten ihre Pläne nicht den erhofften Erfolg. Daran hat nicht nur die eigene Inkompetenz und der “identitäre” Größenwahn Schuld, sondern auch der antifaschistische Protest, der vor Ort die faschistischen Bestrebungen eingegrenzt. Im Folgenden sollen einige Schlaglichter auf die AKS 16 geworfen werden: wie es aufgedeckt wurde, wie die bisherige Nutzung aussieht, seine Bedeutung für die so genannten „Bewegung“ und die Vernetzung über das Haus hinaus im In-und Ausland.
Die AKS 16 – ein faschistisches Hausprojekt
Die erste offizielle Ankündigung eines “identitären” Hauses fand sich im Juni 2017 in der “Sezession”, dem Haus- und Hof-Blatt Götz Kubitscheks. Im Juni 2017 erschien ein Artikel auf dem antifaschistischen Blog LSA-Rechtsaußen, der die Finanzierung und Entstehung des Hauses beleuchtete und damit öffentlich machte, dass es sich bei dem Haus in der Adam-Kuckhoff-Straße 16 nicht um neue Nachbar*innen mit freundlichen kulturellen Ambitionen, sondern um knallharte Faschisten handelt. Daraufhin sahen sich die “Identitären” gezwungen, überhastet einen Flyer an die Anwohner*innen des Viertels zu verteilen. In diesem Flyer behaupteten sie, ihr Haus lediglich für kulturelle Angebote nutzen zu wollen, dass sie nur friedliche patriotische junge Leute seien und zu Unrecht in ein ganz schlechtes Licht gestellt würden. Die teilweise massive Gewalt, die von den Bewohnern und Bewohnerinnen des Hauses ausgeht, straft diese Worte Lügen.
Auch sind regelmäßig Faschisten und Menschenfeinde unterschiedlicher Couleur in der AKS 16 zu Gast.
Nach Bekanntwerden des Hauses und der ersten großen antifaschistischen Demonstration sprach Philip Stein, Leiter der rechten Initiative „Ein Prozent“, in einem Interview mit Götz Kubitschek über die Ziele des sogenannten „patriotischen Hausprojektes“ in Halle. Laut Stein wolle man ein Begegnungszentrum, einen Ort für regelmäßige Veranstaltungen und die Vernetzung rechter Akteure, aufbauen – genau diese kurze Erläuterung beschreibt die bisherige Nutzung des Hauses in der AKS sehr treffend. Das Ziel, mit dem Haus neue Bevölkerungsgruppen anzuziehen, positiv in die Nachbarschaft hinein- und über das eigene Kernklientel hinaus zu wirken, wurde jedoch verfehlt, wie der AfD-Landtagsabgeordnete Andreas Lichert aus Hessen, Verwalter des Hauses zu diesem Zeitpunkt, in einem Interview mit dem hessischen Rundfunk äußerte.
Nutzung des Hauses
Das Gebäude in der AKS ist bei Weitem nicht nur Wohnort einiger sich selbst als Avantgarde der “Neuen Rechten” bezeichnenden “Aktivisten”. Von den anfänglich mindestens fünf Bewohnern sind es aktuell nur noch drei, wobei davon ausgegangen werden kann, dass zwei von ihnen das Haus nur noch als Meldeadresse nutzen. In der AKS 16 sind vor allem aber Büroräume verschiedener “neurechter” Gruppen ansässig:
Im Hochparterre des Hauses befinden sich zum Beispiel der Verlag „Jungeuropa“ von Philip Stein und die rechte Initiative „Ein Prozent”, deren Leiter ebenfalls Stein ist. Zudem sitzt mit einem Ableger des sogenannten „Instituts für Staatspolitik“, das sich selbst als “konservative Denkfabrik” bezeichnet, ein direktes Scharnier zum bereits erwähnten Kubitschek mitten im Haus. Das als Kunstprojekt getarnte faschistische Modelabel “Radical Esthétique” sitzt ebenfalls im unter demselben Dach, verantwortlich hierfür zeigt sich der zwickauer Identitäre Franz Reißner, Reißner zeichnet nicht nur Illustrationen faschistischer Klassiker für Steins “Jung Europa” sondern verkauft vor allem überteuerte T-Shirts. Auch die Kommunikationsagentur “Mosaik” hatte ursprünglich einen Sitz im Haus; sie fungierte als Schnittstelle zwischen den “Identitären” und der AfD.
Ab September 2017 nutzte ein weiterer externer rechter Akteur die Räume der AKS 16: Hans-Thomas Tillschneider, AfD-Landtagsabgeordneter in Sachsen-Anhalt aus dem Wahlkreis Bad Dürrenberg, bezog dort sein zweites Wahlkreisbüro. Obwohl er dies bei Facebook öffentlich machte, kann davon ausgegangen werden, dass das Haus nie als Wahlkreisbüro genutzt wurde und die Eröffnung des Büros unter anderem als Rechtfertigung für die am Haus angebrachten Überwachungskameras diente. Allerdings löste Tillschneider sein Mietverhältnis schon nach einem knappen Jahr im September 2018 aus Angst vor der möglichen Beobachtung des extrem rechten Flügels der AfD durch den Verfassungsschutz wieder auf und entkoppelte sich so laut eigener Aussage „in Freundschaft”. Dies und andere Beispiele zeigen, dass der sogenannte “Unvereinbarkeitsbeschluss”, der die AfD von den “Identitären” abgrenzen soll, nur Makulatur ist und im Gegenteil immer wieder eine enge Zusammenarbeit festzustellen ist.
Der Raum, der aber wahrscheinlich die größte Bedeutung für die Identitären besitzt, ist der Kneipenraum – ebenerdig im Gebäude. Dort werden nicht nur Vorträge gehalten, sondern es finden auch Vernetzungstreffen, Partys und politisch-ideologische Schulungen statt.
Entsprechend erhofften sich die Identitären durch ein breites Angebot an Veranstaltungen eine gewisse Außenwirkung und politische Strahlkraft auf die unmittelbare Nachbarschaft und den nahen Universitätscampus.
Doch trotz der regelmäßigen Nutzung für Veranstaltungen blieb der erhoffte Ansturm interessierter Nachbar*innen aus und auch keine “der linken Indoktrination überdrüssigen” Student*innen standen Schlange vor den Türen der AKS. Zwar sah der Kneipenraum auf den vorteilhaft geschossenen Social-Media-Fotos oft gefüllt aus; dies ist aber in Anbetracht der Tatsache, dass das Einzige, was die “Identitären” wirklich gut können, fantasievolle Selbstinszenierung ist, keine große Überraschung. Regelmäßig wurden Kader der IB aus der ganzen Republik herangefahren, um den Veranstaltungsraum der AKS zu füllen, Kubitschek schaffte seine Sippe aus dem nahen Schnellroda heran und mehrmals mussten auch die Kameraden der IB Österreich oder aus Frankreich und Italien heraneilen, um einen Stuhl in der „identitären Kneipe“ zu besetzen. Wirklich externe, interessierte Gäste blieben die Ausnahme.
Aber das Ausbleiben von potentiell Interessierten bedeutet nicht, dass die AKS 16 kein zentraler Ort für deutsche und auch europäische “Identitäre” geworden ist. Gerade mit seiner Nähe zum “IFS” in Schnellroda hat das Haus eine zentrale Bedeutung für politisch-ideologische Schulungen identitärer Kader und faschistisch-subkulturelle Veranstaltungen erlangt. Der Ort bietet sich zudem an, um ungestört zu feiern. Nicht selten besuchten Kader aus der gesamten Republik und dem europäischen Ausland die Partys in der AKS 16. Ein faschistischer Freiraum wie hier bewirkt eine Konsolidierung der Identitären nach Innen und ungestörte Vernetzung von Kadern anderer rechter Gruppen und Akteuren.
Internationale Vernetzung
Die Bedeutung des Hauses als Vernetzungsort kann man auch daran sehen, dass es immer wieder genutzt wird, um Treffen mit neofaschistischen Gruppen aus dem Ausland zu veranstalten. Eine der wichtigsten Gruppen ist die italienische “Casa Pound”, die als Vorbild für das Haus in Halle fungiert. Inzwischen ist die Gruppe, die aus mehreren Hausbesetzungen “soziale Zentren” für Italiener*innen gegründet hat, in mehreren italienischen Kommunalparlamenten vertreten. Die Idee, aus einem Gebäude, in dem Wohn-, Arbeits- und Partyräume untergebracht sind, heraus in eine Nachbarschaft zu wirken, ist weder bei der IB noch bei “Casa Pound” entstanden, man kann “Casa Pound” aber durchaus als erste Instanz sehen, von dem neofaschistische Akteure es erfolgreich adaptiert haben. Neben einem “italienischen Abend” 2017 in der AKS 16, bei dem über den “Kulturkampf von rechts” am Beispiel Italiens diskutiert wurde, nahmen Kontrakultur-Kader mindestens zwei Mal an Veranstaltungen der “Casa Pound” in Italien teil. Wie LSA rechtsaußen dokumentierte, zeigte Jörg Dittus dort unter anderem den “römischen Gruß”.
Die internationale Vernetzung der halleschen IB reicht aber nicht nur bis nach Italien, sondern auch in die Ukraine, zum Regiment Asow, das sich ähnlich wie die “Casa Pound” auch als Partei versucht. Das neonazistische Regiment wurde von Andriy Biletski mitbegründet, der von einem Krieg der “weißen Rasse” fantasiert und nutzt nicht nur ein an die Wolfsangel erinnerndes Symbol, sondern hat laut der UN auch Kriegsverbrechen wie Folter und Pogrome gegen Rromani, die teilweise auf Facebook live gestreamt wurden, begangen. Mario Müller traf sich bereits 2015 auf einem Fackelmarsch in Kiew mit Mitgliedern des Bataillons; im Juni 2018 lud die Kontrakultur außerdem Olena Semenyaka, Koordinatorin der internationalen Beziehungen des Regiments, in das Haus in der Adam-Kuckhoff-Straße ein. Diese traf sich in Deutschland auch mit der neonazistischen Kleinpartei “Der III. Weg” und dem wegen des Mordes an seinem Mitschüler verurteilten Sänger der National Socialist Black Metal Band “Absurd” Hendrik Möbus.
Natürlich hat die hallesche Identitären-Gruppe auch Kontakte zu den IB-Ablegern in Frankreich und Österreich. Insbesondere die führenden Kader der IB Österreich, Martin Sellner und Patrick Lenart, haben das Haus mehrfach für verschiedene Events besucht. Umgekehrt waren mehrere Kontrakultur-Mitglieder auch immer wieder vor allem bei Demonstrationen der IB Österreich anwesend. Mitglieder des französischen IB-Ablegers, der “Génération Identitaire”, sind unter anderem in kurzen BBC-Dokuvideos zur “Neuen Rechten” in Deutschland im Haus interviewt wurden.
Lokale Vernetzung
Innerhalb von Sachsen-Anhalt ist die AfD inzwischen einer der wohl wichtigsten Partner der “Identitären”. Wie bereits erwähnt beherbergte das Haus bis November 2018 ein Zweitbüro des Landtagsabgeordneten Hans-Thomas Tillschneiders. Ein weiteres IB-Mitglied, Jörg Dittus, ist außerdem Mitarbeiter im Wahlkampfbüro des Parlamentarischen Geschäftsführers der AfD-Fraktion im Landtag Sachsen-Anhalt. Auch mit den Jugendorganisationen der AfD existieren enge Verbindungen: Christopher Lehmann ist Teil des Bundesvorstandes der “Jungen Alternative” und der “Kontrakultur”, außerdem traten er und Hannah-Tabea Rößler sowohl unter dem Label “Campus Alternative” zu den Stura-Wahlen 2018 und 2019 an der Martin-Luther-Uni Halle-Wittenberg als auch für die AfD zu den Stadtratswahlen in Halle an.
Ein weiterer wichtiger Partner der “Identitären” in Halle ist das lokale Burschenschafts-Milieu. Bevor es das Haus in der Adam-Kuckhoff-Straße gab, trafen sich die Neofaschisten regelmäßig in den Räumen der HLB Germania, in der auch mehrere Mitglieder inkorporiert sind. Als im Mai unter anderem Dorian Schubert Flyer einer kaum beachteten, fiktiven “Anwohnerinitiative” gegen das vorher als HaSi bekannte Kulturzentrum am Galgenberg verteilten, begann und endete die Aktion in der Germania. Die Germania funktioniert seit ihrer Gründung 1999 als Anlaufpunkt für die sogenannte “Alte Rechte”, also das klassische Neonazi-Spektrum von denen einige, insbesondere aus dem NPD- und JN-Umfeld wie Michael Schäfer, Teil der sogenannten “Alten Herren” sind. Der Identitäre Till-Lucas Wessels ist nach wie vor Mitglied in der Sängerschaft Friedericiana, die am Robert-Franz-Ring unter anderem einen Biergarten betreibt.
Auch über die Germania hinaus bestehen Kontakte zwischen den Mitgliedern der “Identitären Bewegung” und dem klassischen Neonazimilieu. So waren unter anderem Andreas Karsten und Paul Sass im April 2018 beim “Schild & Schwert”-Festival in Ostritz und Jörg Dittus und Jan Scharf bei den Neonaziaufmärschen in Chemnitz im Herbst 2018. Auch die Kontakte zu Mitgliedern des NPD- und JN-Milieus, wie Julian Monaco, bestehen nach wie vor, wobei diese inzwischen zumindest teilweise bei “EinProzent” und nicht mehr bei der NPD arbeiten.
Der Verein “EinProzent für unser Land” fungiert dabei sowohl als ein Finanzierer der “Identitären” und angeblich anderer “patriotischer” Projekte, als auch als Scharnier zu insbesondere der AfD. So rechtfertigte Tillschneider sein Büro im Haus der IB damit, dass ja “EinProzent” der Vermieter sei und nicht die “Identitären”, sodass das Büro angeblich nicht gegen den Unvereinbarkeitsbeschluss verstieße. Außerdem wirkt die “EinProzent”-Facebookseite als Sprachrohr der halleschen “Identitären”, da deren Facebookseiten gesperrt wurden. Mitte Mai 2019 veröffentlichte die Seite zum Beispiel ein Video, in dem unter anderem Hannah Tabea Rößler und Christopher Lehmann über die HaSi referieren. Simon Kaupert, der Vorsitzende des Vereins, ist mit Wiebke Nahrath verheiratet, deren Onkel und Vater Funktionäre der Wiking-Jugend waren, und deren Onkel nicht nur Mario Müller und andere “Identitäre” vor Gericht vertrat, sondern auch den NSU-Unterstützer Ralf Wohlleben.
Auch mit der Kampfsportszene in Halle sind die “Identitären” gut vernetzt. So trainierte beispielsweise Martin Bissinger, Sympathisant und Unterstützer der “IB” bisweilen beim Kampfsportclub LaFamilia u.a. Kindersportgruppen. Auch Frank Marchl ist Trainer in eben jenem Verein und trainierte und posierte zusammen mit den gewaltbereiten IB-Mitgliedern Andreas Karsten, Mario Müller und Dorian Schubert. Marchl ist ebenfalls in der halleschen Naziszene etablierter Player – LSA-rechtsaußen haben auch hierzu gut recherchiert.
Auf den vielleicht wichtigsten Partner der Gruppe formerly known as “Kontrakultur”, Götz Kubitschek, den “Antaios-Verlag” und das “Institut für Staatspolitik” wollen wir hier nicht weiter eingehen, da die Genossen von ‘IfS Dichtmachen’ freundlicherweise einen Gastbeitrag über diese Kooperation geschrieben haben.