Am Morgen des 05. Juli, also letzten Donnerstag, postete die Facebookseite der „Hochschule für Nachhaltige Entwicklung Eberswalde“ eine Einladung zu einem Vortrag mit einem Vertreter von Kick Them Out. Dieser Vortrag sollte angeblich unter dem Titel „Alter Wein in Neuen Schläuchen“ und als Vorbereitung für eine Diskussionsveranstaltung zur „Identitären Bewegung“ mit zwei Mitgliedern des Brandenburger Verfassungsschutzes am Montag, dem 09.07, stattfinden.
Wir als Kampagne Kick Them Out möchten klarstellen, dass diese Darstellung nicht der Realität entspricht. Ja, zwei Vertreter_innen der Kampagne waren am letzten Donnerstag in Eberswalde, um einen Vortrag zur „Kontrakultur Halle“, der „Identitären Bewegung“ allgemein und insbesondere möglichen Gegenstrategien zu halten. Dies war jedoch nicht in direkter Kooperation mit der Hochschulleitung und definitiv nicht als Vorbereitung für eine Veranstaltung oder in Zusammenarbeit mit dem Verfassungsschutz.
Antifaschistisch aktive Studierende aus Eberswalde hatten uns über persönliche Kontakte für besagten Vortrag eingeladen, weil klar wurde, dass es vor Ort und innerhalb der Studierendenschaft vermehrt Sympathien für die „Identitäre Bewegung“ und ihre Positionen gibt. Dies hatte innerhalb der Hochschule und der Studierendenschaft zu Diskussionen geführt. Die „Kontrakultur Halle“ ist eine der aktivsten und größten Gruppen der „Identitären“ in Deutschland und wir als Kampagne beschäftigen uns seit knapp einem Jahr sowohl mit der „Kontrakultur“ als auch mit den „Identitären“ allgemein, weshalb wir immer wieder von anderen antifaschistischen Gruppen angefragt werden, Vorträge zu halten. Die Genoss_innen aus Eberswalde hatten die Hoffnung, dass ein Vortrag von uns – den Menschen vor Ort – insbesondere den eher unpolitischen Studierenden, klar machen würde, warum es wichtig ist, der „Identitären Bewegung“ und ihren Sympathisant_innen entschlossen entgegen zu treten. Die Organisation des Vortrages sollte in Kooperation mit dem AsTa der HNEE erfolgen. Für uns schien diese Anfrage also nicht weiter ungewöhnlich.
Dass die Leitung der Hochschule Eberswalde, spezifisch das Rektorat, parallel eine Diskussionsveranstaltung mit Mitgliedern des Verfassungsschutzes plante, war uns nicht klar. Insbesondere war uns nicht klar, dass die Hochschulleitung unseren Vortrag als Vorbereitung für die Diskussion oder Kooperation mit dem Verfassungsschutz wahrnehmen und bewerben würde. Die Genoss_innen vor Ort haben zwar organisiert, dass die Hochschulleitung die Fahrtkosten nach Eberswalde zurückerstattet, zwischen uns und dem Rektorat bestand jedoch im Rahmen der Organisation des Vortrages kein Kontakt.
Von der für Montag, den 09.07, geplanten Diskussionsveranstaltung erfuhren wir erst am Vorabend des Vortrages in Eberswalde, als eine Absage de facto nicht mehr möglich war. Laut den Genoss_innen vor Ort war besagte Diskussion eigentlich für den Beginn des Wintersemesters geplant gewesen, wurde jedoch kurzfristig vorverlegt. Dementsprechend hielten wir unseren Vortrag wie geplant: als einen vom AsTa und lokalen Antifaschist_innen organisierten Input zu Ideologie und Aktionsformen der „Identitären Bewegung“ und zu möglichen Gegenstrategien. In der Diskussion verwiesen wir auf den Widerspruch, eine staatliche Behörde, die massiv am Aufbau der schlimmsten neonazistischen Terrorzelle der jüngeren deutschen Geschichte beteiligt war, als Experten für eine neofaschistische „Bewegung“ einzuladen.
Wir als antifaschistische Kampagne sehen es nicht als unsere Aufgabe an, Vorarbeit für den Verfassungsschutz zu leisten. Auch in Sachsen-Anhalt ist immer wieder zu beobachten, dass die angeblichen Experten in keinster Weise in der Lage sind, aktuelle Situationen zu analysieren und zu kontextualisieren. Deutlich wurde dies nicht zuletzt bei einer Veranstaltung am Lehrstuhl von Prof. Varwick in Halle im Oktober 2017. Dort war unter anderem Dr. Hilmar Steffen des VS Sachsen-Anhalt geladen. Kritik an der Veranstaltung haben wir und der SDS Halle ausführlich in diesen Texten dargelegt: http://sdsmlu.blogspot.com/2017/10/bericht-prof-varwick-naumann-stiftung.html und https://kickthemout.noblogs.org/post/2017/10/16/liberale-mitte-diskutiert-mit-kontrakultur-ueber-ihre-gefaehrlichkeit-oder-so-aehnlich/
Wir als radikal linke Gruppe lehnen sowohl das Konzept des Verfassungsschutzes als auch die Analyse, welche die „Identitäre Bewegung“ lediglich deswegen als Gefahr einschätzt, weil sie den Staat bedrohen, grundlegend ab. Wären wir von der Unileitung oder vom AsTa der HNEE mit der Bitte, die Diskussionsrunde am 09.07. inhaltlich vorzubereiten oder an dieser teilzunehmen, angefragt wurden, hätten wir diese Einladung entschieden abgelehnt.